Tirschenreuth. (mez) Der Leiter der bayerischen Staatskanzlei Dr. Florian Herrmann war virtuell zu Gast in einer gemeinsamen Kreisvorstandschaftssitzung des MU- und CSU-Kreisverbandes und vieler seiner Arbeitsgemeinschaften. Im Mittelpunkt stand dabei der Kampf gegen den Corona-Virus.
Kreisvorsitzender MdL Tobias Reiß begrüßte seinen Kollegen aus der Münchner Staatskanzlei, der über eine Stunde mit den Mitgliedern des Tirschenreuther Kreisverbandes diskutierte. Reiß bedankte sich eingangs bei dem MU-Kreisvorsitzenden Leonhard Zintl, der das virtuelle Meeting in die Wege geleitet hatte. Der bayerische Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten berichtete von seiner Arbeit vor allem gegen das Corona-Virus und zeigte den Zuhörern interessante Zusammenhänge auch im Vergleich mit den europäischen Nachbarn auf.
Zur Bedeutung des Mittelstandes während der Corona-Pandemie betonte der Minister, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen ihre zentrale Rolle einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben. Diese konnten sich am schnellsten auf die neue Herausforderung einstellen und oftmals ihre Produktionsprozesse umstellen. Leonhard Zintl führte als Beispiel ein Wellpappenhersteller aus dem Landkreis an, der stark mit der Automobilbranche zusammenarbeitet. Dieser stellte beispielsweise seine Produktion schnell um auf Schachteln in denen Hygieneartikel verpackt werden.
Der Bankvorstand einer Raiffeisenbank Leonhard Zintl dankte der Politik in Namen vieler mittelständischer Betriebe für die schnelle und unkomplizierte Hilfe zum Anfang der Pandemie ausdrücklich. Er stellte aber auch nachdenkliche Fragen, wie oft und lange sich der Staat solche Maßnahmen leisten kann. Auf Dauer muss die Wirtschaft sich wieder selber tragen und auch finanzieren können, so Zintl, der eine Lösung bei eigenkapitalschonenden Maßnahmen bei Unternehmen sieht, auf die der Staat Einfluss nehmen kann.
Die Kreisvorsitzende der Frauenunion Tina Zeitler ging auf das ehrenamtliche Engagement ein, indem sie die an die vielen Nachbarschaftshilfen erinnerte, die vielerorts vorbildlich zusammenhalfen. Es wurden unkompliziert viele WhatsApp-Gruppen gegründet, erläuterte Zeitler dabei auch die Vorteile der Digitalisierung, die in vielen Haushalten bereits Einzug gehalten hat. Den Menschen wurde zudem bewusst, was systemrelevante Berufe in Wirklichkeit sind und wie wichtig Familien und Freunde auf einmal sind.
Auch der JU-Kreisvorsitzende Matthias Grundler erinnerte an die Vorteile der Digitalisierung anhand des Homeschoolings. Gerade auf dem ländlichen Raum sind deswegen auch zukünftige Investitionen und Förderprogramme unbedingt notwendig, um einerseits die Digitalisierung auf dem Dorf aber anderseits vor allem auch das Leben dort, weg von den Ballungszentren, weiterhin attraktiv zu gestalten, forderte der junge Falkenberger Bürgermeister.
Der CSA-Kreisvorsitzender Hubert Rosner berichtete von seinen Erfahrungen als ehemaliger Berufssoldat und Mitglied des Tirschenreuther Krisenstabes. Ohne das Ehrenamt wie beispielsweise die Freiwilligen Feuerwehren oder den vielen Ehrenamtlichen des Bayerischen Roten Kreuz wäre der Staat komplett überfordert gewesen. Als ehemaliger Zeitsoldat warnte er aber auch davor die Kapazitäten der Bundeswehrkrankenhäuser überzubewerten.
Der Minister freute sich über die vielen Redebeiträge und schilderte die Lage im Kampf gegen den Virus aus erster Hand auch im Vergleich mit vielen europäischen Nachbarn. Oberstes Ziel ist es, die medizinische Versorgung aufrecht zu erhalten, so Dr. Herrmann. Anhand von drei Säulen versucht die bayerische Staatsregierung dies täglich vor Ort umzusetzen. Als erste Säule nannte er die Kommunikation untereinander. Uns muss nach wie vor klar sein, dass es sich um einen Virus handelt, der zum Tod führen kann, mahnte Dr. Herrmann.
Wir wissen viel über Krankheiten wie Demenz, Herz- oder Kreislaufkrankheiten, aber wir haben logischerweise noch keine große Erfahrungen mit diesem Virus. Infektionskrankheiten wie die Masern oder auch die spanische Grippe hat es auch früher schon gegeben und es dauerte jedes Mal Jahre bis der Mensch diese unter Kontrolle gebracht hatte. Es handelt sich nicht einfach um eine Grippe, so Herrmann, der warnte mit dem Virus umzugehen wie beim russischen Roulett.
Aktuell gibt es neun Impfstoffe, die in der dritten wichtigen Erprobungsphase sind, wobei viele Nebenwirkungen erst erforscht werden müssen und ob der Impfstoff überhaupt bei allen Menschen auch reagiert. Der Virus macht vor Ländergrenzen dabei keinen Halt, der deutsche Corona-Virus ist nicht schwächer oder stärker wie der in Frankreich, Spanien oder sonst wo auf der Welt, appellierte der Minister an die Vernunft der Bürger.
Bei der zweiten Säule ging der Redner auf den Raum ein, den man dem Virus gibt. Der Virus kann sich nur dort vermehren, wo wir ihm Platz dafür bieten, um einen neuen Wirt zu suchen und sich dort weiter zu vermehren, erläuterte Herrmann.. Deswegen appellierte er überall mit „Vorsicht und Umsicht“ zu agieren. Die bekannten AHA-Regeln sind allen bekannt. Die erhöhte Viruslast ist vor allem dort vermehrt festzustellen, wo dieser sich schnell stark vermehren kann und die sogenannten Superspreader entstehen.
Die Testkapazitäten werden ständig hochgefahren, um bei möglichen Neuinfektionen schnell reagieren zu können. Problematisch wird es hingegen, wenn wir Infektionsketten nicht mehr nachvollziehen können und der Virus so schnell die Oberhand gewinnt. Hier kommt die langsam die dritte Säule zum Tragen, die vielerorts unterschätzt wird. Durch das sogenannte Contract-Tracing können schnell Ketten nachvollzogen werden und so mögliche weitere Neuinfektionen verhindert werden.
Auch wenn in der Öffentlichkeit oftmals nur davon berichtet wird, wenn dies nicht immer gleich klappt, konnten bisher dadurch schon viele Infektionsketten verhindert werden, was ein Verdienst der vielen Teams nicht nur in den Gesundheitsämtern ist, die jeden Tag telefonisch stundenlang oft erfolgreich versuchen solche Ketten zu brechen, indem sie die Menschen bitten beispielsweise in Quarantäne zu gehen.
Diese typisch deutsche organisierte Strategie zeigt sich als sehr erfolgreich im Vergleich leider zu vielen europäischen Nachbarn, bei denen dieses Contract-Tracing anscheinend nicht so gut funktioniert. Auch bei der Sinnhaftigkeit der Inzidenz-Werte zeigte der Staatsminister viel Hintergrundwissen. Er mahnte hier, dass ein Contract-Tracing ab 50 Infizierten pro 100.00 Personen sehr schnell sich als schwierig für die Gesellschaft auswirken kann.
Unser Ziel muss es sein, einen Lock-Down unbedingt zu vermeiden, so Herrmann. Es wird ansonsten sehr herausfordernd für die Gesellschaft und auch die Wirtschaft werden, die ein zweites Mal viel schlimmer getroffen wird. Wir werden in den kommenden Monaten wieder nur auf Sicht fahren können. Der Freistaat wird beispielsweise keinen Doppelhaushalt für zwei Jahre mehr beschließen, sondern sich nur schrittweise voran wagen. Klar ist allen Beteiligten aber, dass man verstärkt in den öffentlichen Gesundheitsdienst wieder investieren muss. Eine Tatsache, die sich von selbst erklärt.